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AutorenbildBenjamin Weber

Verbandsklagen und AGB

Bei Strom- und Gaslieferverträgen mussten die Endkunden im letzten Jahr große Preiserhöhungen mitmachen. Im Umfeld dieser Preiserhöhungen stellen sich eine Vielzahl von Rechtsfragen. Auf „überzuckert.at“ hat Verena Wodniansky-Wildenfeld bereits im Juli 2022 erklärt, wie diese Preiserhöhungen ausgestaltet sind. Nun, fast ein Jahr nach den ersten großen Preiserhöhungen, hat das Handelsgericht Wien aufgrund einer Verbandsklage des Vereins für Konsumenteninformation die erste Entscheidung zu einer solchen Preiserhöhung getroffen.


Verbandsklage


Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat das Recht, sogenannte Verbandsklagen gegen Unternehmen einzubringen. Ist der VKI erfolgreich, gilt Folgendes:

  • Das Unternehmen darf die Klausel in Zukunft nicht mehr in neu abzuschließenden Verträgen verwenden;

  • Das Unternehmen darf sich bei Altverträgen nicht auf diese Klausel berufen.

Im vorliegenden Fall geht es konkret um eine Klausel, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Verbunds verwendet wurde, eines der größten Stromerzeugers und -händlers in Österreich. Die Klausel sah unter der Überschrift „Wertsicherung Arbeitspreis“ unter anderem Folgendes vor (der volle Wortlaut kann in der Entscheidung nachgelesen werden):


„Der mit dem:der Kund:in vereinbarte Arbeitspreis ist mit dem von der Österreichischen Energieagentur berechneten und veröffentlichten gewichteten Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) wertgesichert.“


Der ÖSPI bildet eine Prognose des zukünftigen Großhandelspreises für Strom ab und hat sich im Laufe des letzten Jahres vervielfacht. Der Verbund hat bei seinen Kunden aufgrund dieser Klausel eine Preiserhöhung zum 1.5.2022 durchgeführt. Gegen diese Klausel hat der VKI geklagt.


Ungewöhnliche Klauseln


Das Handelsgericht Wien ("HG Wien") hat Anfang Februar über die Klage entschieden.

Klauseln in AGB unterliegen grundsätzlich einer strengen gesetzlichen Kontrolle und dürfen nicht überraschend und nachteilig, gröblich benachteiligend oder unverständlich sein. Denn Unternehmen haben AGB normalerweise im Detail vorbereitet, während sicherlich jede schon einmal AGB angenommen hat, ohne überhaupt zu wissen, was in diesen steht.


Im vorliegenden Fall hat das HG Wien die oben genannte Klausel aus folgenden Gründen für unwirksam erklärt und entschieden, dass der Verbund deren Verwendung zu unterlassen hat:

Die Klausel sei laut HG Wien überraschend, ungewöhnlich und nachteilig

Unter der Überschrift „Wertsicherung Arbeitspreis“ könne eine Kundin keinen Indikator erwarten, der nicht dem Ausgleich der allgemeinen Inflation dienen soll. Der ÖSPI bildet nicht die allgemeine Inflation ab, wie etwa der Verbraucherpreisindex (VPI), sondern den zukünftigen Großhandelspreis.

Außerdem halte sich die Klausel nicht im Rahmen der gesetzlichen Regelungen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, kann also noch bekämpft werden. Der Verbund hat laut Medienberichten angekündigt, gegen das Urteil des HG Wien Berufung einzulegen. Nach dem Berufungsgericht kann die Sache noch zum Obersten Gerichtshof (OGH) kommen. Sowohl Berufungsgericht als auch OGH könnten auch zu anderen Ergebnissen kommen als das HG Wien.


Konsequenzen für Einzelne?


Würde der OGH tatsächlich der Begründung des HG Wien folgen, hätte die Entscheidung eine Leitfunktion für andere Gerichte. Es wäre wahrscheinlich, dass dieselbe Klausel auch in den Verträgen mit Einzelnen unwirksam wäre. Eine Preiserhöhung, die auf Grundlage dieser Klausel vorgenommen worden ist, wäre in diesem Fall daher rechtsgrundlos erfolgt. Die überhöhten Zahlungen könnten samt Zinsen zurückgefordert werden. Das alles hängt natürlich von der zukünftigen Entscheidung des OGH ab – falls es zu dieser kommt.


Die Entscheidung des HG Wien hat nicht nur für Kundinnen des Verbunds Bedeutung, sondern auch für andere Anbieterinnen, die Preiserhöhungen auf ähnlicher Grundlage vorgenommen haben. Die Arbeiterkammer Tirol hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis laut öffentlich zugänglichen Informationen ebenfalls dem Urteil des HG Wien ähnelt. Es ist damit zu rechnen, dass weitere Verfahren eingeleitet werden, falls dies nicht bereits geschehen ist.


Allerdings haben nicht alle Stromlieferantinnen dieselbe Klausel in ihren AGB verwendet. Andere Stromlieferantinnen kaufen ihren Strom möglicherweise tatsächlich im Großhandel. Ob das HG Wien auch in solchen Fällen zur gleichen Entscheidung gekommen wäre, lässt sich nicht sagen.


Kurz gesagt:

  • Der VKI kann sogenannte Verbandsklagen gegen Unternehmen einbringen. Ist der VKI erfolgreich, darf ein Unternehmen die Klausel nicht mehr verwenden und sich nicht darauf berufen.

  • Klauseln in AGB unterliegen grundsätzlich einer strengen gesetzlichen Kontrolle und dürfen nicht überraschend und nachteilig, gröblich benachteiligend oder unverständlich sein.

  • Laut dem bei Stromlieferungsverträgen anwendbaren ElWOG müssen Preiserhöhungen in einem angemessenen Verhältnis zum für die Änderung maßgebenden Umstand stehen.

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