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  • AutorenbildNikolaus Handig

U-Haft: Was dahinter steckt

Ob im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre, dem BVT-Skandal oder den „Beinschab-Studien“ – über Personen, die beschuldigt werden, Straftaten begangen zu haben, wird regelmäßig Untersuchungshaft verhängt. Jüngstes prominentes Beispiel hinter Gittern: die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin. Aber was hat es eigentlich auf sich mit der sogenannten U-Haft? Wann wird sie verhängt? Und warum?


Die Untersuchungshaft, kurz U-Haft, ist keine Strafe (auch wenn sie sich für die Betroffenen vielleicht so anfühlt). Gedacht ist sie als vorläufige Maßnahme, die Sicherungszwecke verfolgt – nämlich die Sicherung des eigentlichen Strafverfahrens.


Als zentrale Voraussetzung sieht § 173 Strafprozessordnung vor, dass eine U-Haft nur dann zulässig ist, wenn die Beschuldigte „einer bestimmten Straftat dringend verdächtig“ ist. Ein dringender Verdacht liegt dann vor, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Beschuldigte die Tat, die ihr von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird, begangen hat. Ob diese hohe Wahrscheinlichkeit vorliegt, entscheidet eine sogenannte Haftrichterin.


Diese Haftrichterin hat die Beschuldigte zur Sache und zu den Voraussetzungen der U-Haft zu befragen, ehe sie eine Entscheidung trifft. Damit es zu einer U-Haft kommen kann, muss diese von einer Staatsanwaltschaft beantragt werden – im Fall Karmasin war das die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).


Flucht, Verdunkelung und Tatbegehung

Der Verdacht, dass jemand eine Straftat begangen hat, reicht allein aber noch nicht zur Verhängung einer U-Haft. Darüber hinaus muss zumindest einer von drei sogenannten Haftgründen vorliegen, nämlich Flucht-, Verdunkelungs- oder Tatbegehungsgefahr.

Fluchtgefahr

Unter Fluchtgefahr wird die Gefahr verstanden, dass die Beschuldigte sich dem Strafverfahren insgesamt oder zumindest der ihr allenfalls drohenden Strafe entziehen könnte. Diese Fluchtgefahr wird grundsätzlich nicht angenommen, wenn es sich um ein weniger schweres Delikt (mit höchstens 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht) handelt, die Beschuldigte einen festen Wohnsitz im Inland hat und „sich in geordneten Lebensverhältnissen befindet“, worunter etwa verstanden wird, dass jemand einer Arbeit nachgeht oder einen Haushalt führt. Anders ist es natürlich, wenn die Beschuldigte bereits Vorbereitungen zur Flucht getroffen hat, sich zB im Reisebüro über One-Way-Flugtickets nach Kambodscha informiert.

Verdunkelungsgefahr

Tatbegehungsgefahr

In besonders gravierenden Fällen – wenn die Strafdrohung mindestens 10 Jahre beträgt, zB bei Mord – ist abgesehen von Ausnahmefällen immer Untersuchungshaft zu verhängen.


Mit Maß und Ziel

Bei der Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft ist stets ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Die U-Haft ist also im Verhältnis zur Bedeutung der Sache – wie verwerflich ist die Tat? – und der erwarteten Strafe zu sehen. Für den Diebstahl einer Kaugummipackung wäre eine U-Haft daher unverhältnismäßig, selbst wenn Fluchtgefahr besteht.


Eine ähnliche Stoßrichtung wie die Verhältnismäßigkeitsprüfung verfolgen die sogenannten gelinderen Mittel, die unter Umständen anstelle einer U-Haft in Betracht kommen: zB die Leistung einer Kaution oder das Gelöbnis, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht zu erschweren.


Ob jemand freigelassen oder ob U-Haft verhängt wird, hat die Haftrichterin binnen 48 Stunden ab Einlieferung der Beschuldigten in die Justizanstalt (= Gefängnis) zu entscheiden. Wird die U-Haft verhängt, ist sie immer nur für einen gewissen Zeitraum – die Haftfrist – gültig und wird regelmäßig geprüft. Außerdem kann eine Beschuldigte ihre Enthaftung beantragen.


Um den Charakter der U-Haft als vorläufige Sicherheitsmaßnahme zu wahren, bestehen Höchstdauern für die U-Haft, abhängig von der Schwere der vorgeworfenen Straftaten. Dabei gilt die Grundregel, dass die U-Haft nicht länger als 6 Monate dauern darf. Als absolute Obergrenze gelten zwei Jahre. Diese Beschränkung gilt jedoch nicht mehr, sobald die Staatsanwaltschaft offiziell Anklage erhebt.


Aber immerhin wird aufgerechnet: abgesessene U-Haft wird auf eine per Urteil verhängte Geld- oder Freiheitsstrafe angerechnet. Erfolgt keine Verurteilung, sondern ein Freispruch, kann die Freigesprochene für die Haft eine Entschädigung verlangen. Ob eine solche Entschädigung in Geld den erlittenen Schaden aber auch wirklich wieder gut macht, ist eine andere Frage.


Kurz gesagt:

  • Die Untersuchungshaft, kurz U-Haft, ist eine vorläufige Sicherheitsmaßnahme, die der Sicherung des Strafverfahrens dient.

  • Damit eine U-Haft verhängt werden kann, muss zumindest einer von drei Haftgründen vorliegen: Flucht-, Verdunkelungs- oder Tatbegehungsgefahr.

  • Wird nach einer U-Haft per Urteil eine Geld- oder Freiheitsstrafe verhängt, wird diese mit der U-Haft verrechnet. Gibt es dagegen einen Freispruch, können Freigesprochene eine Entschädigung verlangen.

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