Social Egg Freezing: Bald auch in Österreich erlaubt
- Benjamin Weber

- vor 4 Tagen
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Social Egg Freezing bezeichnet das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen mit dem Ziel einer späteren, medizinisch unterstützten Fortpflanzung, ohne dass hierfür eine medizinische Notwendigkeit besteht. Während dieses Verfahren in den meisten anderen Ländern Europas bereits erlaubt ist, war es in Österreich bislang verboten. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat dieses Verbot nun aufgehoben.
1. Die bisherige Rechtslage
In Österreich regelt das Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG), wann und wie künstliche Fortpflanzungsverfahren zulässig sind.
Derzeit dürfen Frauen ihre eigenen Eizellen nur dann einfrieren lassen, wenn ein medizinischer indizierter Grund vorliegt, z. B. wenn eine Krankheit oder eine Behandlung dazu führen könnte, dass eine Frau später keine Kinder mehr bekommen kann. Das vorsorgliche Einfrieren ohne medizinische Indikation ist hingegen nicht erlaubt. In Österreich wohnhafte Frauen können jedoch ins Ausland ausweichen, um ihre Eizellen aus anderen Gründen einfrieren zu lassen.
Ausländische Studien zeigen, dass der häufigste Beweggrund für das Social Egg Freezing das Fehlen eines passenden Partners ist, danach folgen berufliche Gründe. Bereits 21% der großen US-amerikanischen Arbeitgeberinnen bieten ihren Mitarbeiterinnen an, die Kosten die Kosten für das Einfrieren von Eizellen zu übernehmen.
Auch eine österreichische Frau wollte in Österreich die medizinische Möglichkeit des Social Egg Freezings in Anspruch nehmen. Sie hatte keinen aktuellen Kinderwunsch, plante aber, zu einem späteren Zeitpunkt Kinder zu bekommen. Bei ihr lagen jedoch keine medizinischen Gründe für das Einfrieren ihrer Eizellen vor. Daher hat sie das Verbot beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit einem sogenannten Individualantrag auf Normenkontrolle angefochten. Sie hat argumentiert, dass die Bestimmung ihre verfassungsrechtlich, gemäß Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zugestandenen Rechte, beeinträchtigt.
Das Anliegen war auch Gegenstand einer parlamentarischen Bürgerinitiative. Die Bioethikkommission nahm zu der Bürgerinitiative Stellung und führte unter anderem aus, dass ein generelles Verbot des Social Egg Freezing zur Unterstützung der Familienplanung in einer modernen liberalen und pluralistischen Gesellschaft unangebracht erscheint.
2. Artikel 8 EMRK
Der VfGH musste im Verfahren über die Anfechtung prüfen, ob das Social Egg Freezing gegen die EMRK verstößt. Sie ist der wichtigste Grundrechtskatalog in Österreich und steht im Verfassungsrang. Die EMRK garantiert Freiheiten und Rechte aller Menschen. Über die Einhaltung der EMRK wacht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die Urteile des EGMR sind für alle Mitgliedsstaaten des Europarats verbindlich.
Artikel 8 Absatz 1 der ERMK lautet:
„Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.“
Der Wortlaut der Bestimmung ist sehr allgemein. Der EGMR legt die EMRK jedoch sehr weit aus. Artikel 8 EMRK garantiert den Freiheitsraum der Einzelnen umfassend. Dazu gehören z. B.:
das Privatleben,
das Selbstbestimmungsrecht über den Körper,
die Privatsphäre,
die freie Gestaltung der Lebensführung,
die Achtung der Wohnung und
die Vertraulichkeit der privaten Kommunikation.
Der EGMR hat aus Artikel 8 EMRK im Laufe der Jahre viele Schutzbereiche und Rechte abgeleitet, zuletzt sogar ein Recht auf Klimaschutz.
Nach der bisherigen Rechtsprechung zählt zum geschützten Bereich des Artikels 8 EMRK auch der Wunsch, ein Kind zu bekommen, und zwar sowohl auf natürlichem Weg als auch mit Hilfe medizinisch unterstützter Methoden. Der VfGH hat nun entschieden, dass auch das Recht, Eizellen einzufrieren zu lassen, von Artikel 8 EMRK geschützt ist. Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Entnahme keine medizinische Indikation vorliegt.
Auch wenn ein Recht geschützt ist, kann der Staat unter bestimmten Voraussetzungen in dieses eingreifen. Das bisherige Verbot stellt einen staatlichen Eingriff in dieses Grundrecht dar. Zu prüfen war daher, ob der Eingriff zulässig ist.
3. Verbot des Social Egg Freezings nicht notwendig
Staatliche Eingriffe in die von Artikel 8 EMKR geschützten Rechte sind nur dann zulässig, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, ein legitimes Ziel verfolgen und zur Erreichung dieses Ziels notwendig sind.
Das Verbot findet sich im FMedG und dient laut der Bundesregierung dem Schutz der Gesundheit und Moral. Die Regierung hat in der mündlichen Verhandlung z. B. vorgebracht, dass das ausnahmslose Verbot aus ethischen Überlegungen gerechtfertigt sei. Es verhindere Druck auf Frauen, aufgrund allfälliger gesellschaftlicher Erwartungen oder der Erwartungen ihrer Arbeitgeberin die Erfüllung des Kinderwunsches mit medizinisch unterstützten Methoden auf später zu verschieben.
Das Verbot ist aber nach der Entscheidung des VfGH zum Schutz der Gesundheit und der Moral nicht notwendig. Gesundheitliche Risiken könnten nämlich auch mit milderen Mitteln vermieden werden, etwa durch Aufklärungspflichten, Beratung oder Altersgrenzen.
Ethische Bedenken oder die Sorge vor gesellschaftlichem Druck sind zwar ernst zu nehmen, rechtfertigen aber kein generelles Verbot. Es ist möglich, das Einfrieren zu regulieren und Absicherungen gegen Missbrauch vorzusehen. Die Entscheidungsfreiheit über die Art und Weise der Fortpflanzung ist von Artikel 8 EMRK geschützt. Das bedeutet, dass die Entscheidung über das Einfrieren von Eizellen von der Frau selbst in eigener Verantwortung zu treffen ist. Es liegt demnach an ihr, die für ihre Entscheidung notwendigen Informationen einzuholen und die für sie relevanten Gründe, die für oder gegen die Durchführung der Maßnahmen sprechen, gegeneinander abzuwägen. Auch das Risiko unzutreffender Annahmen einer Frau über die Erfolgsaussichten dieser Maßnahmen können das Verbot nicht rechtfertigen.
Daher verstößt das Verbot gegen Artikel 8 EMRK. Der VfGH hat die Bestimmung aufgehoben.
4. Wie geht es weiter?
Die Aufhebung tritt erst am 31. März 2027 in Kraft. Bis dahin ist das Social Egg Freezing in Österreich auch weiterhin verboten.
Der Gesetzgeber, also der Nationalrat in Zusammenwirken mit dem Bundesrat, kann bis zu diesem Zeitpunkt neue Regelungen schaffen. Der VfGH räumt ihm dabei einen weiten Gestaltungsspielraum ein. Er kann beispielsweise festlegen, dass Frauen vor dem Eingriff eine ärztliche Beratung in Anspruch nehmen müssen, dass bestimmte Altersgrenzen gelten oder dass die Werbung und finanzielle Anreize für Social Egg Freezing eingeschränkt werden. Diese Vorgaben sollen sicherstellen, dass Frauen frei, informiert und verantwortungsvoll entscheiden können.
Abgeordnete der Grünen stellten im Parlament bereits den Antrag, Social Egg Freezing zu legalisieren. Sie stellten darüber hinaus den Antrag, auch alleinstehenden Frauen ab 25 Jahren die medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu ermöglichen. In ihrer Begründung haben sie sich auch auf Artikel 8 EMRK berufen.
Das FMedG und die von Artikel 8 EMRK geschützten Rechte werden daher auch in Zukunft diskutiert werden. Der EGMR sieht die EMRK als ein lebendiges Instrument, das im Lichte der heutigen Verhältnisse zu interpretieren ist. Die Menschenrechtslage kann sich daher durchaus ändern.
Kurz gesagt:
Der VfGH hat das Verbot des Social Egg Freezings aufgehoben. Das Verbot verstößt gegen Artikel 8 EMRK und ist daher verfassungswidrig.
Artikel 8 EMRK garantiert den Freiheitsraum der Einzelnen umfassend. Auch der Wunsch, ein Kind zu bekommen, und zwar sowohl auf natürlichem Weg als auch mit Hilfe medizinisch unterstützter Methoden, ist geschützt.
Staatliche Eingriffe in die von Artikel 8 EMRK geschützten Rechte sind nur dann zulässig, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, ein legitimes Ziel verfolgen und zur Erreichung dieses Ziels notwendig sind.






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