Schiedsgerichte – eine Alternative zu den staatlichen Gerichten?
Bekanntlich gehört die Rechtsprechung (Judikative) zu den zentralen Aufgaben eines jeden Staates. Dabei wissen aber nur die wenigsten, dass juristische Streitigkeiten nicht immer vor einem staatlichen Gericht ausgetragen werden müssen. Eine Alternative dazu stellen die sogenannten Schiedsgerichte dar. Doch was ist die Schiedsgerichtsbarkeit und wieso würde man seine Streitigkeiten freiwillig vor einem Schiedsgericht austragen?
Bei Schiedsgerichten handelt es sich um private Entscheidungsorgane. Anders als an ordentlichen Gerichten wird hier also nicht im Namen des Staates eine Entscheidung gefällt. Dennoch ist die Entscheidung des Schiedsgerichts (=Schiedsspruch) für die streitenden Parteien genauso verbindlich wie ein gerichtliches Urteil. Voraussetzung dafür ist eine Vereinbarung der Parteien, ihre Streitigkeiten nicht vor einem staatlichen Gericht, sondern durch ein Schiedsgericht klären zu wollen.
Natürlich sind derartige Schiedsvereinbarungen aber nicht uneingeschränkt zulässig. Gewisse Rechtsprechungsaufgaben sind stets dem Staat selbst vorbehalten. Dazu gehört insbesondere das Strafverfahren. Aber auch familienrechtliche (z.B. Ehescheidung) oder mietrechtliche Streitigkeiten dürfen niemals vor einem Schiedsgericht ausgetragen werden.
In der Regel sind es Unternehmen, die ihre vertraglichen Streitigkeiten durch Schiedsgerichte klären. Gerade im internationalen Handelsverkehr sowie in wirtschaftlich bedeutsamen oder inhaltlich komplexen Streitigkeiten vereinbaren Unternehmerinnen sehr häufig die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts.
Doch warum sind Schiedsverfahren unter Unternehmerinnen so beliebt?
Flexibel? Einer der größten Vorteile der Schiedsgerichte ist ihre große Flexibilität. Die Parteien können nämlich sehr viele Aspekte, die in staatlichen Verfahren vorgegeben sind, selbstständig regeln. Sie können sich beispielsweise aussuchen, wo und in welcher Sprache das Verfahren durchgeführt wird. Teils kann sogar die Rechtsordnung gewählt werden, nach der das Gericht dabei vorgehen soll. Auch charakteristisch ist, dass die Parteien die Richterinnen des Schiedsgerichts selbst bestimmen können. Hier werden zumeist renommierte Praktikerinnen oder Universitätsprofessorinnen gewählt, die sich in der relevanten Thematik besonders gut auskennen. Man könnte auch sagen: Das Schiedsverfahren kann auf den jeweiligen Fall zugeschnitten werden.
Vertraulich? Die Entscheidungen eines Schiedsgerichts werden üblicherweise nur mit dem Einverständnis der Parteien veröffentlicht. Für die Unternehmerinnen, die sich im Prozess gegenüberstehen, ist das sehr praktisch: Durch die Vertraulichkeit des Verfahrens werden etwa ihre Geschäftsgeheimnisse oder ihr wirtschaftlicher Ruf geschützt. Demgegenüber sind staatliche Urteile (fast) immer zu veröffentlichen: So kann die staatliche Rechtsprechung von der Öffentlichkeit kontrolliert werden. Diese Kontrolle ist in Schiedsverfahren nicht im gleichen Ausmaß gewährleistet.
Schnell? Oftmals wird die staatliche Gerichtsbarkeit dafür kritisiert, Verfahren vergleichsweise langsam abzuwickeln. Viele Unternehmerinnen geben daher an, sich aus Effizienzgründen an Schiedsgerichte zu wenden. Denn Schiedsrichterinnen behandeln oftmals nur wenige Fälle parallel und legen großen Wert auf eine rasche Abwicklung des Verfahrens. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass ein Schiedsgericht oft als einzige und somit letzte Instanz entscheidet.
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Wie läuft ein Schiedsverfahren ab?
Wie auch ein staatlicher Prozess beginnt ein jedes Schiedsverfahren durch Einbringen einer Klage. Daraufhin ernennen die Parteien die zuständigen Schiedsrichterinnen: Dabei wird in der Regel entweder gemeinsam eine Richterin bestimmt, oder die Streitparteien nominieren jeweils eine Richterin, die dann zu zweit eine vorsitzende Richterin ernennen. Im Anschluss erfolgt dann die Durchführung des Verfahrens. Dieses ähnelt einem gerichtlichen Verfahren sehr stark. Auch hier gibt es die Möglichkeit von Zeugeneinvernahmen, der Vorlage von Beweisstücken etc. Zum Abschluss ergeht schließlich der Schiedsspruch und wird an die Parteien zugestellt. Da ein Schiedsgericht aber kein staatliches Gericht ist, hat es keine Macht, um seine Entscheidung selbst zu vollstrecken. Für gewöhnlich besteht dafür aber die Möglichkeit, auf die Hilfe staatlicher Organe (z.B. Gerichtsvollzieherin) zurückzugreifen.
Muss man befürchten, dass ein Schiedsspruch sich über die Grundprinzipien des Rechts hinwegsetzt?
Nein, in solchen Fällen, kann die Aufhebung des Schiedsspruchs beim Obersten Gerichtshofs beantragt werden. Dasselbe gilt generell bei schweren Fehlern (= schweren Mängeln) im Schiedsverfahren oder Schiedsspruch. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn in einer Streitigkeit entschieden worden ist, die gar nicht vor einem Schiedsgericht ausgetragen werden darf.
Schon gewusst? Als Schiedsort ist die Stadt Wien besonders beliebt. Sie bildet nämlich den Sitz des Vienna International Arbitral Centers (= „Wiener Internationales Schiedscenter“), eines der größten Schiedscenter der Welt.
Kurz gesagt:
Ein Schiedsgericht ist im Gegensatz zu den staatlichen Gerichten ein privates Organ. Unternehmerinnen schließen häufig sogenannte Schiedsvereinbarungen, um ihre Streitigkeiten in die Hände eines Schiedsgerichts zu legen.
Schiedsvereinbarungen finden sich vor allem im internationalen Handelsverkehr sowie in wirtschaftlich bedeutsamen und komplexen Streitigkeiten. Allerdings sind viele Streitigkeiten ausschließlich den staatlichen Gerichten vorbehalten. Nicht möglich sind Schiedsverfahren nämlich in besonders sensiblen Angelegenheiten – etwa in Strafverfahren, familienrechtlichen Konflikte oder in Streitigkeiten zwischen Nicht-Unternehmerinnen.
Die Vorteile der Schiedsgerichte sind vor allem die Flexibilität und Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien. Schiedsverfahren werden vertraulich und üblicherweise sehr rasch durchgeführt. Gleichzeitig hat die Öffentlichkeit keinen Einblick in den Verfahrensablauf.
____________________________________________________________________________ Celine Moser studiert Rechtswissenschaften an der Universität Wien, wo sie zudem als studentische Mitarbeiterin beschäftigt ist. Zudem nimmt Celine aktuell am sogenannten Willem C. Vis Moot Court teil: einem internationalen Studierendenwettbewerb, bei dem sich Teilnehmer*innen aus aller Welt ein ganzes Jahr lang intensiv mit dem Thema Schiedsgerichtsbarkeit auseinandersetzen. Insofern hätten wir uns für diesen Beitrag kaum eine geeignetere Gastautorin vorstellen können.
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