Ohne Helm, mit Folgen: Helmpflicht beim Radfahren?
- Ramon Spiegel
- 30. Juni
- 3 Min. Lesezeit
In einem aktuellen Fall hat sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit einer Frage beschäftigt, die viele Radfahrerinnen erst dann interessiert, wenn der Asphalt näherkommt als gewünscht: Muss man beim Radfahren eigentlich einen Helm tragen?
Die kurze Antwort: Eine gesetzliche Pflicht gibt es nicht. Allerdings: Wer ohne Helm unterwegs ist, hat seine Verletzungen womöglich teilweise selbst zu verantworten.
Ein harter Fall – in mehrfacher Hinsicht
Ein E-Bike-Fahrer war mit rund 25 km/h auf einem Radweg unterwegs, als er von einem Auto erfasst wurde. Der Lenker hatte die Tankstellenzufahrt verbotenerweise als Ausfahrt benutzt. Relativ schnell war klar: Der Autofahrer war alleine für die Kollision verantwortlich.
Der Radfahrer erlitt schwere Kopf- und Gesichtsverletzungen. Neben dem Ersatz für das beschädigte Fahrrad forderte er auch Schmerzengeld. Die Gegenseite argumentierte jedoch, dass ihn ein Mitverschulden treffe: Er habe keinen Helm getragen – und laut gerichtlichem Gutachten hätten sich dadurch rund 20 % der Verletzungen vermeiden lassen. Für diesen Teil sei er selbst verantwortlich.
Ausgangslage: Keine allgemeine Helmpflicht
Zuerst die gute Nachricht für alle, bei denen die Frisur oberste Priorität genießt: In Österreich besteht keine allgemeine gesetzliche Verpflichtung zum Tragen eines Fahrradhelms. § 68 Absatz 6a der Straßenverkehrsordnung schreibt eine Helmpflicht beim Radfahren nur für Kinder unter 12 Jahren vor. Wer älter ist, darf also ohne Helm unterwegs sein, ohne eine Verwaltungsstrafe zu riskieren.
Aber: Zivilrechtlich kann‘s Folgen haben
Im Zivilrecht stellt sich die Lage differenzierter dar. Wer Schadenersatz fordert, muss sich unter Umständen ein Mitverschulden anrechnen lassen (§ 1304 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) – und erhält dann gegebenenfalls weniger Geld vom Schädiger. Für ein solches Mitverschulden ist es nicht erforderlich, dass man sich rechtswidrig verhalten hat, also gegen das Gesetz verstoßen hat. Vielmehr genügt es, dass man sich „sorglos“ gegenüber der eigenen Gesundheit verhält – unter Umständen eben auch, weil man keinen Helm trägt.
Lange war der OGH hier zurückhaltend: Das Nichttragen eines Fahrradhelms stelle noch keine „Sorglosigkeit“ gegenüber der eigenen Gesundheit dar. Maßgeblich sei nämlich auch, ob unter den beteiligten Kreisen (also den Radfahrerinnen) allgemein anerkannt sei, dass ein Helm eine wichtige Schutzmaßnahme darstellt. Daran fehle es laut OGH jedoch bislang: Es bestehe kein "allgemeines Bewusstsein der Wichtigkeit des Tragens eines Fahrradhelms". Grundlage dieser Einschätzung war unter anderem eine ÖAMTC-Studie aus 2015, wonach die Tragequote nur bei etwa 25 bis 30 % liege.
Neue Bewertung bei E-Bikes
Im vorliegenden Fall sah der OGH die Sache nun anders. E-Bikes – auch solche mit einer Bauartgeschwindigkeit von maximal 25 km/h – würden ein „besonderes Gefahrenmoment“ aufweisen. Durch ihr höheres Gewicht und die veränderte Fahrdynamik bestehe ein erhöhtes Unfallrisiko. Zugleich sei in der Bevölkerung ein gestiegenes Bewusstsein für die Risiken entstanden, das auch durch höhere Helmtragequoten belegbar sei.
Daraus folgt für das Höchstgericht: Wer auf dem E-Bike ohne Helm verunglückt, muss sich unter Umständen ein Mitverschulden entgegenhalten lassen – und erhält entsprechend weniger Schmerzengeld. Nicht für alle Folgen, sondern nur für jene Verletzungen, die durch einen Helm vermeidbar gewesen wären.
Auf den ersten Blick klingt die Entscheidung für den Geschädigten einschneidender, als sie letztendlich war: Zur Entscheidung stand ein Schmerzengeld von insgesamt 15.000 €. Ein Helm hätte etwa ein Fünftel der erlittenen Schmerzen verhindern können. Dieser Anteil – konkret 3.000 € – wurde nun um ein Mitverschulden von ebenfalls 20 % gekürzt. Letztlich machte das einen Abzug von 600 € aus.
Was gilt für Rennradfahrer?
Zu guter Letzt noch ein kurzer Exkurs für die Aficionados der Klickpedale: Bereits in früheren Entscheidungen hatte der OGH ein Mitverschulden bei sogenannten „sportlich ambitionierten“ Fahrerinnen anerkannt – etwa bei Rennfahrten mit hoher Geschwindigkeit. Wann man allerdings als „sportlich ambitioniert“ gilt, ist nicht abschließend geklärt. Bei Radfahrern, die sich bei 35 km/h „Windschattenrennen“ geliefert hatten, war die sportliche Ambition für den OGH klar. Ein Rennradfahrer, der mit 15 bis 20 km/h unterwegs war, war dem OGH jedoch offenbar nicht ambitioniert genug. Und ob es genügt, sich den Dreißigern zu nähern und sich in einer leichten Sinnkrise sportlich zu fühlen? Dazu schweigt sich der OGH (noch) aus.
Kurz gesagt:
In Österreich besteht keine gesetzliche Helmpflicht für Erwachsene – auch nicht auf dem E-Bike.
Zivilrechtlich kann das Verzichten auf einen Helm jedoch ein Mitverschulden begründen – insbesondere dann, wenn Unfallrisiko und Schutzbewusstsein objektiv gestiegen sind.
Die Kürzung betrifft nur das Schmerzengeld für vermeidbare Verletzungen, nicht den gesamten Schadenersatz.
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