Mit dem Zug in den Urlaub: Rechte von Bahnreisenden
Das Zugfahren erlebt derzeit eine Renaissance. Nachhaltig reisen und idealerweise sogar erholt und ausgeschlafen am Ziel ankommen – so zumindest das Versprechen zahlreicher Nachtzugverbindungen, die für immer mehr Urlauberinnen (Transport-)Mittel der Wahl werden. Und ganz unbegründet ist dieses Versprechen wohl nicht: Binnen acht Stunden kommt man per Bahn in jede vierte EU-Hauptstadt und Europa darf sich zugleich mit den besten Nachtzugrouten der Welt rühmen. Klingt alles fantastisch – aber was ist, wenn mal nicht alles glatt läuft? Für den Flugverkehr steht Passagieren schon seit längerem die Fluggastrechte-Verordnung zur Seite, die unter anderem Entschädigungen für Verspätungen vorsieht (mehr dazu hier). Parallel dazu trat am 7. Juni 2023 die Neufassung der EU-Verordnung (2021/782) über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr in Kraft. Ihre wichtigsten Punkte im Überblick.
Entschädigung bei Verspätung
Im Fernverkehr (also nicht im Stadt-, Nah- oder Regionalverkehr) haben Fahrgäste ein Recht auf Entschädigung bei Zugverspätung oder -ausfall. Das gilt sowohl für internationale als auch inländische Zugverbindungen.
Die Entschädigung beträgt
a) 25 % des Preises der Fahrkarte bei einer Verspätung von 60 bis 119 Minuten;
b) 50 % des Preises der Fahrkarte ab einer Verspätung von 120 Minuten.
Die Eisenbahnunternehmen können einen Mindestbetrag festlegen, unter dem eine Entschädigung nicht zusteht. Dieser Mindestbetrag darf allerdings nicht mehr als 4 Euro betragen. Auch bei der ÖBB gilt ein Mindestbetrag von 4 Euro.
Für Personen mit Jahreskarten (dazu gehört auch das Klimaticket) gelten spezielle Regeln.
Mehr dazu
Hier kommt es auf den durchschnittlichen „Pünktlichkeitsgrad“ an, den die Züge innerhalb eines Monats erreichen. Für das Klimaticket beträgt dieser Pünktlichkeitsgrad 93 %. Wird diese Pünktlichkeit innerhalb eines Monats nicht erreicht, steht der Ticketinhaberin ein Betrag von 4 Euro zu. Ob dieser Betrag eine eingehende Recherche zur der Pünktlichkeit der ÖBB Wert ist, ist natürlich wieder eine andere Frage.
Extremwetter, Notfälle und Kabeldiebstähle
Eisenbahnunternehmen sind allerdings nicht zur Entschädigung verpflichtet, wenn die Verspätung bzw der Zugausfall auf folgenden Umständen beruhen:
Höhere Gewalt (zB extreme Witterungsbedingungen oder große Naturkatastrophen). Was genau hierunter fällt, kann in manchen Fällen möglicherweise schwierig abzugrenzen sein. Reicht schon ein Wintereinbruch mit stärkerem Schneefall, um die Entschädigung auszuschließen? Jedenfalls gewöhnliche Unwetter müssen hier ausgenommen sein.
Verhalten eines Dritten (zB Betreten der Gleise, Notfälle im Zug, Kabeldiebstahl, Polizeieinsätze). Wichtig: Streiks des Bahnpersonals zählen nicht dazu.
Das Bahnunternehmen wird jedoch nur dann aus der Pflicht genommen, wenn sich das Ereignis trotz aller Sorgfalt nicht vermeiden ließ.
Weitere Rechte bei Verspätung
Neben der Entschädigung des Fahrgasts treffen das Eisenbahnunternehmen im Falle einer Verspätung aber noch weitere Pflichten.
Erstattung des Fahrtpreises. Ist die Fahrt nach den ursprünglichen Reiseplänen des Fahrgasts sinnlos geworden, kann der gesamte Fahrtpreis zurückverlangt werden. Wer also durch die Verspätung zB einen wichtigen Termin verpasst, und daher die Reise abbricht, bekommt natürlich sein Geld zurück.
Umbuchungen. Ab einer Verspätung von 60 Minuten kann kostenfrei auf eine spätere Zugverbindung umgebucht werden. Wenn dem Fahrgast die verfügbaren Optionen für eine Weiterreise nicht binnen 100 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtszeit des verspäteten oder ausgefallenen Zugs mitgeteilt werden, kann der Fahrgast auch auf andere Bahn- oder Busunternehmen umsteigen und die angemessenen Kosten dafür verlangen.
Hilfsdienstleistungen. Falls eine Übernachtung notwendig wird (weil keine Möglichkeit zur Weiterreise besteht), hat die Bahn eine Hotelübernachtung sowie die damit verbundene An- und Abreise zu bezahlen.
Und was wohl die wenigsten wissen: Bei Verspätungen ab 60 Minuten hat das Eisenbahnunternehmen den betroffenen Gästen kostenlos Speisen und Getränke „in angemessenen Verhältnis zur Wartezeit“ zur Verfügung zu stellen (sofern sie im Zug oder Bahnhof verfügbar oder vernünftigerweise lieferbar sind). Reisenden, die mit Verspätung am Urlaubsziel ankommen, kann man also immerhin eines wünschen: Mahlzeit!
An wen kann man sich wenden?
Erste Ansprechpartner für Beschwerden ist immer das jeweilige Unternehmen, das die Fahrkarte ausgestellt hat. Dieses muss grundsätzlich binnen 30 Tagen auf die Beschwerde antworten. Führt das zu für den Fahrgast zu keiner zufriedenstellenden Lösung, besteht auch die Möglichkeit eines kostenlosen Schlichtungsverfahrens der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte. Im schlimmsten Fall können die Ansprüche aber natürlich auch vor Gericht eingeklagt werden.
Kurz gesagt:
Bei Zugverspätungen und -ausfällen können sich Bahnreisende seit dem 7. Juni 2023 auf die EU-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (2021/782) stützen.
Die Entschädigung bei Verspätungen beträgt
a) 25 % des Preises der Fahrkarte bei einer Verspätung von 60 bis 119 Minuten;
b) 50 % des Preises der Fahrkarte ab einer Verspätung von 120 Minuten.
Daneben bestehen weitere Rechte im Falle einer Verspätung, zB auf Erstattung des gesamten Fahrtpreises, wenn die Fahrt für den Fahrgast sinnlos geworden ist, oder kostenfrei auf eine andere Verbindung umzubuchen.
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