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AutorenbildNikolaus Handig

Kronzeugen: Vernadern für (Straf-)Freiheit?

Es klingt nach einem Hollywoodfilm, was Österreichs Justiz derzeit beschäftigt – eine Kronzeugin nämlich. Konkret Sabine Beinschab, die eine zentrale Rolle in der ÖVP-Inseratencausa spielt und deshalb ursprünglich als Mitbeschuldigte im Ermittlungsverfahren geführt wurde. Doch Beinschab hat ein Geständnis abgelegt, woraufhin die Staatsanwaltschaft vorläufig von ihrer Verfolgung zurückgetreten ist. Dabei ist umstritten, ob die Voraussetzungen der angewendeten Kronzeugenregelung überhaupt vorliegen. Grund genug, genauer hinzusehen.


Zuerst die harten Fakten: Die sogenannte große Kronzeugenregelung, um die es in der Causa Beinschab geht, ist in § 209a der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Als groß wird sie deshalb bezeichnet, weil sie ermöglicht, dass über eine Beschuldigte gar keine Strafe verhängt wird, sondern dass das Verfahren mit einer Diversion (zu dem Begriff kommen wir noch) endet. Die kleine Kronzeugenregelung in § 41a des Strafgesetzbuchs (StGB) dagegen sieht bloß vor, dass eine Strafe zwar verhängt, aber verringert wird. Daneben besteht übrigens auch noch eine Kronzeugenregelung für das Kartellrecht, aber das ist eine andere Geschichte (§ 209b StPO).


Hinter der Kronzeugenregelung gemäß § 209a StPO steht der Gedanke, eine Straftäterin für ihre Kooperation mit Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft bei der Strafverfolgung anderer Personen zu „belohnen“. Diese „Belohnung“ besteht darin, dass die Kronzeugin selbst nicht verurteilt wird. Dafür gibt es allerdings eine Menge Voraussetzungen.


Nicht beim Zeitungsdiebstahl

Zunächst gilt die Kronzeugenregelung nicht für sämtliche Straftaten: Wer mit seiner Freundin Zeitungen aus einem stummen Zeitungsverkäufer stiehlt (ja, auch das ist eine Straftat!), kann sie nach der Trennung nicht anzeigen und sich dabei auf die Kronzeugenreglung berufen. Der Status als Kronzeugin ist nämlich nur möglich bei Straftaten,

  • die in die Zuständigkeit eines Schöffen- oder Geschworenengerichts fallen (das sind vor allem schwere Straftaten, etwa Brandstiftung),

  • für welche die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zuständig ist oder

  • die in Zusammenhang mit organisierter Kriminalität oder einer terroristischen Vereinigung stehen.

Freiwillig, rechtzeitig & reumütig

In einem weiteren Schritt ist es wichtig, dass eine potenzielle Kronzeugin freiwillig an die Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei herantritt. Es soll eben nicht dazu kommen, dass – Stichwort Hollywood – ein Deal angeboten wird, sondern die Initiative soll bei der Täterin liegen. Vorgesehen ist auch, dass noch keine Einvernahme als Beschuldigte stattgefunden hat und auch noch kein „Zwang“ (z. B. eine Hausdurchsuchung) ausgeübt worden ist. Diese Freiwilligkeit und Rechtzeitigkeit sind in der Causa Beinschab der große Streitpunkt und im Detail recht kompliziert. Manche meinen, die Voraussetzungen wären bei Beinschab nicht mehr vorgelegen, weil gegen sie bereits ermittelt und sie sogar festgenommen wurde. Andere dagegen finden, die Kriterien gehören großzügig ausgelegt.


Außerdem fordert die Kronzeugenregelung ein „reumütiges Geständnis“. Das besteht in einer umfassenden Darstellung der eigenen Tat. Dann folgt das, was man – umgangssprachlich abwertend – als vernadern, also verraten bezeichnen könnte: Die Kronzeugin hat ihr Wissen über Tatsachen oder Beweismittel zu offenbaren, die für die Ermittlungsbehörde neu sind. Das passiert etwa durch Aussagen und die Herausgabe von Dokumenten. Deren Kenntnis muss in der Folge wesentlich dazu beitragen, die umfassende Aufklärung einer der oben genannten Straftaten (über den eigenen Tatbeitrag hinaus) zu fördern oder eine damit in Zusammenhang stehende Person auszuforschen. Dazu reichen keine kleinen Tipps, die Hinweise müssen vielmehr zu einer umfassenden Aufklärung der Tat oder zur Auffindung einer gesuchten Person führen.


Diversion statt Strafe

Sobald feststeht, dass all die genannten Voraussetzungen vorliegen, hat die Staatsanwaltschaft noch zu beurteilen, ob eine Bestrafung dennoch geboten erscheint, um die Täterin von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Ist das nicht der Fall, wird sie endgültig zur Kronzeugin und es kommt zur diversionellen Erledigung des Verfahrens. Dabei trägt die Staatsanwaltschaft der Beschuldigten bestimmte Leistungen auf, etwa die Zahlung eines Geldbetrags oder gemeinnützige Leistungen. Sind diese erbracht, wird das Ermittlungsverfahren eingestellt. Das Strafregister bleibt leer und die Weste damit weiß – strafrechtlich zumindest.


Kurz gesagt:

  • Die Idee hinter der Kronzeugenregelung gemäß § 209a StPO ist, dass jemand für eine begangene Straftat nicht verfolgt wird, weil er oder sie mit der Kriminalpolizei bzw. der Staatsanwaltschaft zusammenarbeitet.

  • Die Stellung als Kronzeugin gibt es nur bei bestimmten schweren Straftaten und setzt voraus, dass ein rechtzeitiges, freiwilliges und reumütiges Geständnis abgelegt wird, das wesentliche neue Tatsachen oder Beweismittel offenbart.

  • Liegen die Voraussetzungen der Kronzeugenregelung vor, wird das Verfahren diversionell erledigt. Dabei wird zwar keine Strafe verhängt, die dann im Strafregister steht, aber es werden bestimmte Leistungen aufgetragen (z. B. Geldzahlungen oder gemeinnützige Leistungen).

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