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  • AutorenbildRamon Spiegel

Gender-Verbote und gegenderte Gesetze

Die kontroversielle Diskussion rund um geschlechtergerechtes Formulieren betrifft nicht nur den täglichen Sprachgebrauch, sondern auch rechtliche Angelegenheiten. So steht beispielsweise ein Gesetz zur Einführung von „flexiblen Kapitalgesellschaften“ vor der Tür. Dabei ist neben der Schaffung einer neuen Gesellschaftsform ein weiterer Aspekt am Gesetzesentwurf interessant: Es wird ausschließlich die weibliche Form verwendet; Männer sind mitgemeint. Währenddessen wird am anderen Ende des Spektrums über „Genderverbote“ gestritten, die Behörden die Verwendung von Sonderzeichen untersagen sollen. Ein kurzer Einblick ins Thema „Gendern und Recht“.


Vom generischen Femininum …

Von Gesellschafterinnen, Geschäftsführerinnen und Mitarbeiterinnen ist im Gesetzestext über die neue „flexible Kapitalgesellschaft“ die Rede. Nach § 27 beziehen sich die weiblichen Formen aber auf alle Geschlechter in gleicher Weise. Dadurch hebt sich das Gesetz von fast allen anderen Rechtsvorschriften in Österreich ab – typischerweise wurde bisher ausschließlich die männliche Form verwendet und in einem Paragrafen deklariert, andere Geschlechter seien mitgemeint.


Da stellt sich die Frage: Gibt es einen rechtlichen Rahmen für gendergerechte Sprache? Zum Thema Sprache liest man in Artikel 8 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), dass Deutsch die „Staatssprache der Republik“ und somit Amtssprache ist. Deutlich weiter gehen die Sprachvorgaben dort allerdings nicht. Gender-Vorgaben (oder gar -verbote) findet man also nicht – zumindest nicht unmittelbar. Denn Artikel 7 Absatz 2 B-VG lautet: „Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau.“ Daraus wird abgeleitet, dass die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache durch die Gesetzgeberin grundsätzlich gewünscht ist. Rechtlich gesehen bleibt es aber bei einem bloßen Wunsch, denn diese Bestimmung wird allgemein nur als sogenannte „Staatszielbestimmung“ angesehen, aus der Einzelne keine Rechte ableiten können. Rechtsvorschriften, die nur eine Geschlechterform verwenden, verfehlen dieses Staatsziel wohl – dennoch ist eine Verordnung, die nur Männer bzw Frauen anspricht, nicht verfassungswidrig.


Der Verfassungsgerichtshof hat zwar im Jahr 2018 betont, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt und auch intergeschlechtliche Personen ein Recht auf entsprechende Geschlechtseintragungen im Personenstandsregister haben. Dabei geht es um die Wahrung der individuellen Geschlechtsidentität, die durch Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention im Verfassungsrang steht. In diesem Zusammenhang hat das Höchstgericht jedoch auch darauf hingewiesen, dass die Pflicht des Gesetzgebers nicht so weit reicht, deswegen Gesetze abzuändern, die ausschließlich die männliche oder weibliche Form verwenden. Die anderen Geschlechter seien also mitzudenken.


… bis hin zu Genderverboten

Den Gender-Sternchen den Kampf angesagt hat diversen Schlagzeilen zufolge das Land Niederösterreich durch seinen „Gender-Erlass“. Der Erlass richtet sich an die Behörden der niederösterreichischen Landesverwaltung und besteht aus folgendem Satz: „Bei der Erstellung von Schriftstücken und Erledigungen ist das amtliche Regelwerk und die Empfehlungen, insbesondere 'Geschlechtergerechte Schreibung' des Rates für deutsche Rechtschreibung zu befolgen.“ Der Rechtschreibrat ist ein zwischenstaatliches Gremium, das festlegt, wie deutsche Wörter richtig zu schreiben sind. Die vollständige Paarform („Studentinnen und Studenten“) sowie geschlechtsneutrale Formulierungen („Studierende“) werden empfohlen. Eine Empfehlung für Genderzeichen gab der Rat jedoch (noch) nicht ab. Während die Regeln des Rechtschreibrats dem Personal der Landesverwaltung zuvor bloß nahegelegt wurden, gelten sie jetzt verbindlich – neben Ermahnungen sind theoretisch auch Geldstrafen möglich.


Ist das erlaubt? Rechtlich gesehen ist für die Details des Sprachgebrauchs im behördlichen Bereich der Träger der jeweiligen Organisationseinheit zuständig. Kurzum ist also für Texte auf Landesebene das Land zuständig, dem hier ein größerer Spielraum zukommt. Zwar sind unsachliche Eingriffe durch staatliche Rechtsakte generell nicht erlaubt, ein legitimer Grund für sprachliche Vorgaben kann aber darin liegen, die Einheitlichkeit der Schriftsprache zu sichern. Dass der Staat also auf die Einhaltung der Rechtschreibregeln pocht, die derzeit noch keine Sonderzeichen-Vorgaben vorsehen, wird wohl rechtlich haltbar sein. Einige Länder verfolgen schon bisher das niederösterreichische Modell: Statt Sonderzeichen wird auf die Verwendung der weiblichen und männlichen Form gesetzt, wobei das „Titanic“-Prinzip gilt (Frauen vor Männern). Dass es aber durchaus auch anders geht, zeigt die Stadt Wien, die im Stadt-Leitfaden unter anderem der Gender-Stern vorsieht.


Bei der Zulässigkeit von „Genderverboten“ ist natürlich immer auch auf den Bereich zu achten, für den sie gelten sollen. Das bisher Gesagte bezieht sich nur auf den öffentlichen Bereich. Die private Kommunikation wird insbesondere durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit umfassend geschützt, das in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergeschrieben ist. Staatliche Schreib- oder Sprechverbote in der privaten Kommunikation sind daher, abgesehen von ganz engen Ausnahmen wie strafbaren Beleidigungen, praktisch ausgeschlossen. Ein Eingriff wäre unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig. Umgekehrt wäre auch eine staatlich durchsetzbare Pflicht zum Gendern, also ein Verbot des Nicht-Genderns, eine Verletzung der Meinungsfreiheit.


Die Notwendigkeit einer geeigneten geschlechtergerechten Sprache steht nicht zur Debatte. Im Fokus des vorliegenden Texts sollten lediglich die rechtlichen Rahmenbedingungen dieser Diskussion stehen. Eine sorgfältige Gewichtung legitimer Interessen, die an anderer Stelle vorzunehmen ist, ist für eine sachgerechte Ausgestaltung von Sprachempfehlungen weiterhin essenziell.


Kurz gesagt:

  • Die Sprachvorgaben für den öffentlichen Bereich sind in der Verfassung nur sehr grundlegend geregelt (Deutsch ist Amtssprache). Gendergebote oder -verbote finden sich dort nicht. Gesetze, die nur die männliche oder weibliche Form verwenden, halten sich im Spielraum, der dem Staat hier zukommt.

  • Dasselbe gilt für Erlässe an Behörden, in denen ihnen einheitliches Gendern ohne Sonderzeichen vorgeschrieben wird. Die sachliche Rechtfertigung kann hier in der Einheitlichkeit der Schriftsprache liegen.

  • In der privaten Kommunikation hingegen sind Schreib- und Sprechverbote so gut wie ausgeschlossen. Staatliche Genderverbote (bzw Genderpflichten) wären hier verfassungswidrig.

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