Benjamin Weber
Die Resolution der UN-Generalversammlung zur Lage im Nahen Osten
Der Angriff der Hamas auf Israel und dessen Folgen sind Gegenstand von emotional geführten Debatten bei den Vereinten Nationen (UN). Am 27. Oktober 2023 hat die UN-Generalversammlung schließlich mit 120 Stimmen dafür, 14 dagegen und 45 Enthaltungen eine Resolution mit dem Titel „Schutz von Zivilpersonen und Wahrung rechtlicher und humanitärer Verpflichtungen“ erlassen. Was sind die Konsequenzen dieser Resolution und wie ist sie entstanden?
Die UN-Generalversammlung ist das Repräsentativorgan der UN. Alle Mitgliedsstaaten sind in ihr vertreten. Die Mitgliedsstaaten haben bei Abstimmungen jeweils eine Stimme („one state – one vote“). Die UN-Generalversammlung kann Resolutionen erlassen. Diese Resolutionen sind Empfehlungen und nicht verbindlich. Ihnen kann aber eine große symbolische oder politische Bedeutung zukommen. Insbesondere, wenn alle oder die meisten Staaten für sie stimmen, können Resolutionen Legitimität vermitteln.
Debatte in der Generalversammlung
Die Resolution wurde von der UN-Generalversammlung nach einer zweitätigen Debatte erlassen. Nach einem Antrag von Jordanien und Mauretanien trat am 26. Oktober 2023 die UN-Generalversammlung zu einer Notfallsitzung zusammen.
Mit der Unterstützung von 40 anderen Staaten wurde von Jordanien der Entwurf für die letztlich ergangene Resolution vorgelegt. Die Lage im Nahen Osten aber auch der Entwurf selbst wurden daraufhin in der UN-Generalversammlung debattiert.
Die Resolution enthält mehrere Aussagen und Erklärungen. Unter anderem wird ein sofortiger, dauerhafter und anhaltender humanitärer Waffenstillstand gefordert, der zu einer Einstellung der Feindseligkeiten führt. Sie verurteilt alle gegen palästinensische und israelische Zivilpersonen gerichtete Gewalthandlungen, einschließlich aller terroristischen Akte und unterschiedsloser Angriffe, sowie aller Akte der Provokation, der Aufwiegelung und der Zerstörung.
Der vollständige Text der Resolution kann auf der Website der UN eingesehen werden.
Ablehnung des kanadischen Änderungsantrags
Am 27. Oktober 2023 brachte Kanada einen Änderungsantrag zum Entwurf ein. Folgender Absatz sollte zuätzlich eingefügt werden:
"[The General Assembly] Unequivocally rejects and condemns the terrorist attacks by Hamas that took place in Israel starting on 7 October 2023 and the taking of hostages, demands the safety, well-being and humane treatment of the hostages in compliance with international law, and calls for their immediate and unconditional release."
Der Angriff der Hamas wurde in dem Entwurf als „Angriff vom 7. Oktober“ bezeichnet. Der kanadische Botschafter, Bob Rae, erklärte dazu, dass Kanada den Entwurf ohne die Änderung nicht unterstützen könne, da die UN-Generalversammlung nicht handeln könne, ohne die Terroranschläge vom 7. Oktober und die Geiselnahme anzuerkennen. Auch die Botschafterin der Vereinigten Staaten, Linda Thomas-Greenfield unterstützte den Vorschlag und erklärte, es sei empörend, dass der Entwurf der Resolution die Täter des Terrorangriffs, die Hamas, nicht beim Namen nennt. Die verschleppten Geiseln seien ebenso nicht erwähnt worden. Auch der Vertreter von Großbritannien kritisierte, dass der Entwurf bei der Verurteilung des Terrors klarer sein könnte.
Dagegen brachte der pakistanische Botschafter Munir Akram vor, dass in diesem Fall auch Israel benannt werden müsse. Keine der beiden Seiten zu nennen sei die beste Lösung.
Für eine Änderung des Textes wurde eine Mehrheit von 2/3 der abgegebenen Stimmen benötigt. Der Änderungsantrag war mit 85 Stimmen dafür, 55 dagegen und 23 Enthaltungen nicht erfolgreich. Österreich stimmte für die Änderung.
Annahme der Resolution ohne Änderung
Daraufhin wurde die Resolution mit 120 Stimmen dafür, 14 dagegen und 45 Enthaltungen ohne Änderung angenommen. Österreich war eines von 14 Ländern, das gegen die Resolution gestimmt hat. Bundeskanzler Karl Nehammer erklärte dazu, dass eine Resolution, in der die Gräuel der Hamas vom 7. Oktober 2023 nicht verurteilt werden und in der Israels völkerrechtlich verankertes Recht auf Selbstverteidigung nicht festgehalten wird, nicht von unterstützt werden könne.
UN-Sicherheitsrat
Im Gegensatz zur UN-Generalsversammlung kann der UN-Sicherheitsrat verbindliche Beschlüsse fassen, an die sich alle Mitgliedsstaaten der UN halten müssen. Sie kann sogar militärische Sanktionen anordnen. Hauptaufgabe des Sicherheitsrats ist die Wahrung des Friedens und der internationalen Sicherheit. Er besteht aus 15 Mitgliedern und kann Beschlüsse fällen, die für alle Mitglieder bindend sind. Die ständigen Mitglieder China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die Vereinigten Staaten haben ein Vetorecht und können daher alle Beschlüsse verhindern.
Die anderen Mitglieder des Sicherheitsrats werden jeweils für zwei Jahre gewählt und sind derzeit Albanien, Brasilien, Ecuador, Gabon, Ghana, Japan, Malta, Mozambique, die Schweiz und die Vereinigten Arabische Emirate.
Im UN-Sicherheitsrat sind mehrere Abstimmungen über eine Resolution zur Lage im Nahen Osten gescheitert. Diese wurden von der Russland (2 mal), den Vereinigten Staaten und Brasilien vorgelegt. Die Resolutionen scheiterten alle, weil jeweils mindestens ein ständiges Mitglied ein Veto einlegte.
Kurz gesagt:
Die UN-Generalversammlung ist das Repräsentativorgan der UN. Alle Mitgliedsstaaten sind in ihr vertreten. Ihnen kommt bei Abstimmungen eine Stimme zu („one state – one vote“).
Die Resolutionen UN-Generalversammlung sind Empfehlungen und nicht verbindlich.
Im Gegensatz zur UN-Generalsversammlung kann der UN-Sicherheitsrat verbindliche Beschlüsse fassen, an die sich alle Mitgliedsstaaten der UN halten müssen und auch militärische Sanktionen anordnen.
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