Der Ibiza-Untersuchungsausschuss – Ein jähes Ende?
In den letzten Wochen und Monaten sorgten Ereignisse rund um den Ibiza-Untersuchungsausschuss mehrmals für Schlagzeilen. Zuletzt stimmte die Mehrheit im Nationalrat gegen eine Verlängerung des Untersuchungsausschusses. Grund genug, um folgenden Fragen nachzugehen: Was ist ein Untersuchungsausschuss eigentlich, wie kommt er zustande und wieso muss er verlängert werden?
Österreich ist eine Demokratie. Deswegen muss jedes staatliche Handeln auf den Willen des Volkes zurückzuführen sein. Das Volk drückt seinen Willen insbesondere dadurch aus, indem es die Abgeordneten zum Nationalrat wählt. Deswegen hat der Nationalrat besonders wichtige Aufgaben, wie etwa Gesetze zu beschließen. Das ist aber nicht die einzige Aufgabe des Nationalrats. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Kontrolle der Bundesregierung.
Im Gegensatz zum Nationalrat wird die Bundesregierung, das sind die Bundeskanzlerin* und die Ministerinnen, nicht vom Volk gewählt. Sie wird von der Bundespräsidentin ernannt. Die Bundesregierung und die einzelnen Ministerinnen können durch ihre Entscheidungen die ganze Verwaltung und das ganze staatliche Handeln lenken. Sie haben daher großen Einfluss auf die Gesellschaft in Österreich. Obwohl die Bundesregierung nicht direkt gewählt wird, ist sie sehr wesentlich vom Nationalrat, der aus gewählten Abgeordneten besteht, abhängig. Man spricht davon, dass die Bundesregierung dem Nationalrat politisch verantwortlich ist.
Die Abgeordneten des Nationalrats wissen nicht immer genau, wie die Bundeskanzlerin oder die Ministerinnen ihre Tätigkeit ausüben. Unter anderem deswegen hat der Nationalrat mehrere Möglichkeiten die Bundesregierung zu kontrollieren, sogenannte politische Kontrollrechte. Eines davon ist das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. Dieses Recht ist insbesondere in Artikel 53 des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG) festgelegt. Die genauen Regelungen finden sich im Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats (GOG-NR) und der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA).
Der Untersuchungsausschuss als Minderheitsrecht
Der Untersuchungsausschuss ist für die Opposition ein wirksames Mittel zur Kontrolle der Bundesregierung, weil man für seine Einsetzung keine Mehrheit im Parlament braucht: seit 2015 genügt ein Verlangen von einem Viertel der Nationalratsabgeordneten. Da der Nationalrat aus insgesamt 183 Abgeordneten zusammengesetzt ist, sind das 46 Stimmen. Ein solches Verlangen der Abgeordneten von SPÖ und NEOS mit 54 Stimmen erfolgte am 11.12.2019. Am 22.01.2020 wurde aufgrund dieses Verlangens der Ibiza-Untersuchungsausschuss eingesetzt.
Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es, komplexe, abgeschlossene Vorgänge der Verwaltung aufzuarbeiten. So soll die politische Verantwortung festgestellt werden. Der Öffentlichkeit und den Abgeordneten des Nationalrats werden durch den Untersuchungsausschuss Informationen vermittelt und Missstände offengelegt. Bestimmte Aussagen im Ibiza-Video haben es den Nationalratsabgeordneten und der Öffentlichkeit verdeutlicht, dass möglicherweise ein Missstand oder mehrere Missstände in der Bundesregierung beziehungsweise in der Verwaltung bestehen. Es gab also einen komplizierten Vorgang, der aufgeklärt werden musste. Um diesen Vorgang aufzuklären, werden im Untersuchungsausschuss vor allem sogenannte Auskunftspersonen befragt und Akten durchsucht. Diesen Vorgang nennt man Beweisaufnahme. Diese Beweisaufnahme dauert allerdings nicht zwangsweise so lange, bis der komplizierte Vorgang aufgeklärt ist.
Untersuchung bis zur Aufklärung– oder gibt es doch ein zeitliches Limit?
Ein Untersuchungsausschuss endet mit Beginn der Behandlung des Berichtes im Nationalrat. Dieser ist spätestens 14 Monate nach der Einsetzung fertig zu übergeben. Das heißt, dass ein Untersuchungsausschuss im Normalfall 14 Monate dauert. Das heißt jedoch nicht, dass die oben erwähnte Beweisaufnahme 14 Monate dauern darf. Die Erstellung des Berichts benötigt auch eine gewisse Zeit. Dafür sind im Gesetz mindestens sechs Wochen vorgesehen. Wegen der COVID-19 Pandemie wurde diese 14-Monatsfrist um 3 Monate verlängert, weil es im ersten Lockdown für den Untersuchungsausschuss nicht möglich war, Personen zu befragen und mit der Beweisaufnahme fortzufahren. Außerdem kann die 14-Monatsfrist auch unabhängig von Corona verlängert werden. Für die erste dreimonatige Verlängerung sind die Stimmen der Minderheit von 25 % ausreichend. Diese erste Verlängerung ist für den Ibiza-Untersuchungsausschuss im März erfolgt.
Der verlängerte Untersuchungsausschuss kann noch ein zweites Mal um drei Monate verlängert werden. Für diese zweite Verlängerung sind die Stimmen der Minderheit jedoch nicht ausreichend. Es wird die Mehrheit der Stimmen im Nationalrat benötigt. Am 20.05.2021 wurde die zweite Verlängerung abgelehnt, weil die Abgeordneten der ÖVP und der Grünen gegen die Verlängerung stimmten. Daher wird der Ibiza-Untersuchungsausschuss, falls sich nicht doch noch überraschend eine Mehrheit finden wird, bald enden.
Kurz gesagt
• Die Bundesregierung ist dem Nationalrat politisch verantwortlich. Sie wird vom Nationalrat kontrolliert.
• Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse ist ein politisches Kontrollrecht. Es dient der Aufarbeitung komplexer Vorgänge der Verwaltung und ist seit 2015 als Minderheitsrecht ausgestaltet.
• Für die erste Verlängerung des Untersuchungsausschusses ist ein Viertel der Stimmen, für die zweite Verlängerung die Mehrheit im Nationalrat erforderlich.
* Wir verwenden in unseren Beiträgen anstelle des altbackenen generischen Maskulinums das generische Femininum. Mehr dazu hier.
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