Amtsgeheimnis: wenn Schweigen nicht Gold ist
Während die türkise Chataffäre erneut mediale Wellen schlägt, werden die Rufe nach der längst propagierten Abschaffung des Amtsgeheimnisses wieder lauter. Denn nach jedem Leak über Postenschacher, „Sideletter“ und co. wird zwar zwischen den Koalitionspartnern immer mehr Transparenz versprochen – tatsächlich existiert aber schon seit Frühjahr 2021 ein ausverhandelter Gesetzesentwurf, der noch immer brachliegt. Dass Österreich die letzte europäische Demokratie ist, die eine Amtsverschwiegenheit in der Verfassung stehen hat, wirft Fragen auf.
Amtsgeheimnis versus Informationsfreiheit
Wie viel Steuergeld hat der Staat für ein bestimmtes Projekt ausgegeben? Werden Straftaten öfter mit illegal oder legal beschafften Waffen verübt? Wie viele Tonnen eines schädlichen Pestizids werden pro Jahr verwendet? Solche Anfragen können derzeit kurzerhand an der Mauer der Amtsverschwiegenheit abprallen. Denn diese schreibt vor, dass die Verwaltung bestimmte Tatsachen zu verheimlichen hat.
Das Gegenmodell zum Amtsgeheimnis ist die Informationsfreiheit, wie sie etwa in den USA im Freedom of Information Act, im schwedischen Informationsfreiheitsgesetz oder gegenüber EU-Institutionen vorgesehen ist. Sie räumt allen Bürgerinnen das Recht auf Zugang zu staatlichen Informationen ein. Natürlich sind auch hier gewisse Ausnahmen (nationale Sicherheit, berechtigte Schutzinteressen Einzelner etc) vorgesehen.
Aber Achtung: Auch in Österreich gibt es eine Verpflichtung für Behörden, Auskunft zu erteilen. Allerdings nur, solange keine Verschwiegenheitsgründe (dazu unten) entgegenstehen. Der Unterschied zwischen Amtsgeheimnis und Informationsfreiheit ist also nicht unbedingt, ob es ein Recht auf Auskunft gibt oder nicht (denn das gibt es auch in Österreich!). Vielmehr geht es darum, wie transparent der Staat insgesamt ist: sind alle staatliche Stellen von der Auskunftspflicht erfasst? Gibt es auch ein Recht auf Zugang zu den staatlichen Dokumenten? An erster Stelle steht hier natürlich die Frage, wie weitreichend die Gründe sind, unter denen eine Auskunft verweigert werden muss – je weitreichender die Gründe, desto eher sprechen wir vom Amtsgeheimnis.
Warum gibt es überhaupt ein Amtsgeheimnis?
Das Amtsgeheimnis hat im österreichischen Recht eine lange Tradition (verwiesen wird teilweise bereits auf ein Hofdekret aus 1785). Seit 1925 steht es in der österreichischen Bundesverfassung; eine offizielle Begründung im Gesetzesvorschlag wurde dafür nicht angegeben. Über die Hintergründe des Amtsgeheimnisses kann daher nur spekuliert, über den demokratiepolitischen Zweck jedenfalls trefflich gestritten werden. Eine (eher erzählerische als empirische) Erklärung für das Amtsgeheimnis wäre vielleicht die österreichische Mentalität, den staatlichen Verwaltungsapparat weniger als Dienstleister, sondern vielmehr als Wesen der Obrigkeit zu sehen, dem sich die Bürgerin nur in demütiger Ergebung annähern darf. Und zu neugierig dürfte man schon gar nicht sein.
Worüber muss geschwiegen werden?
Vereinfacht gesagt sieht die Verfassung vor, dass Behörden (oder auch Politikerinnen) keine Auskunft erteilen dürfen, wenn ihnen die Information ausschließlich aus der amtlichen Tätigkeit bekannt geworden ist und die Geheimhaltung aus einem der folgenden (teilweise recht schwammig formulierten) Gründe erforderlich ist:
überwiegendes Interesse (irgendeiner) Person;
zur Vorbereitung der Entscheidung einer Behörde;
wirtschaftliches Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (also zB das wirtschaftliche Interesse von Gemeinden, Bund, Ländern, Sozialversicherungsträgern etc);
öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, Landesverteidigung sowie Auslandsbeziehungen.
Ob Auskunft zu erteilen ist oder nicht, entscheidet die Behörde selbst. Wird das Auskunftsbegehren von der Behörde per Bescheid abgewiesen, kann dagegen eine Berufung (bei einem Verwaltungsgericht) erhoben werden.
Was passiert, wenn gegen das Amtsgeheimnis verstoßen wird?
In diesem Fall könnte die Beamtin neben einem Disziplinarverfahren unter Umständen wegen „Verletzung des Amtsgeheimnisses“ nach § 310 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verurteilt werden. Es ist daher durchaus nachvollziehbar, wenn Beamtinnen eher verstummen, bevor sie allzu leichtfertig Informationen preisgeben.
Amtsgeheimnis: pro und contra
Klar ist, dass der Informationsfreiheit bestimmte Grenzen gezogen werden müssen. Daher gibt es in allen Informationsfreiheits-Gesetzen der Welt auch einige Ausnahme-Klauseln. Ein gewichtiges Argument ist etwa der Datenschutz. Vor allem wenn es um unbeteiligte Dritte (also nicht gerade diejenigen Verwaltungsorgane, deren Handeln durch die Anfrage gerade beurteilt werden soll) oder sensible Informationen geht, muss Vorsorge getroffen werden, dass durch die Auskunft keine Rechte verletzt werden. Eine weitere Gefahr wittern vor allem die Gemeinden derzeit im überbordenden Verwaltungsaufwand, der mit vielen Anfragen einhergehen würde. Denn selbst die kleinste Gemeinde könnte teils mit schwierigen juristischen Entscheidungen konfrontiert sein, ob das Recht auf Information oder jenes auf Datenschutz überwiegt (sofern mit dem neuen Informationsfreiheitsgesetz keine zusätzlichen Hilfen, wie zB eigene Informationsfreiheitsbeauftragte, eingeführt werden). Außerdem müssten natürlich Auswüchse wie in den USA verhindert werden, wo vor einigen Jahren etwa 75 % aller Anfragen von Privatunternehmen gestellt wurden, um Daten der Konkurrenz auszuspähen.
Von solchen Stolpersteinen abgesehen, darf jedoch nicht übersehen werden, dass ein umfassendes Amtsgeheimnis und die damit einhergehende Geheimniskrämerei letztlich Korruption erleichtert. Die schrittweise ans Tageslicht tretenden Skandale der letzten Jahre wären bei entsprechendem Informationsfreiheitsgesetz wohl deutlich früher aufgeflogen (oder gar nicht erst möglich gewesen). Dass Österreich im internationalen Transparenzranking Schlusslicht ist, sollte zu bedenken geben. Schließlich sollte es jeden Bürger etwas angehen, was die Verwaltung treibt – denn sie handelt in seinem Auftrag nach der gesetzlichen Grundlage, die das Parlament als Vertreterin des Volkes schafft.
Kurz gesagt:
Das Amtsgeheimnis ist in Österreich in der Verfassung verankert. Das ist ein Unikat in der EU.
Aufgrund des Amtsgeheimnisses müssen Verwaltungsorgane Informationen geheim halten, wenn dies aus bestimmten Gründen geboten ist (dazu zählen etwa das überwiegende Interesse einer Person, die Vorbereitung einer Entscheidung durch die Behörde oder das wirtschaftliche Interesse zB einer Gemeinde).
Das Gegenstück zum Amtsgeheimnis ist die Informationsfreiheit. Sie räumt allen Bürgerinnen das Recht auf Zugang zu staatlichen Informationen ein.
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