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(A)soziale Netzwerke als rechtsfreier Raum? – Ein neues Gesetz im Kampf gegen Hasspostings

Autorenbild: David von der ThannenDavid von der Thannen

Weil sie nicht nur das Recht auf freie Meinungsäußerung sicherstellen, sondern auch Nährboden für Hasspostings und Shitstorms bieten, sind soziale Medien Fluch und Segen zugleich. Insofern liegen Freedom of Speech und Hate Speech oft nur wenige Satzzeichen voneinander entfernt. Doch während die Anzahl der online verbreiteten Beiträge und Fotos in den vergangenen Jahren inflationär zugenommen hat, trat die rechtliche Kontrolle dieser Inhalte in Österreich lange Zeit auf der Stelle. Durch ein neues Gesetz könnte sich das jetzt ändern.


Ob beleidigende Kommentare und erniedrigende Bilder gelöscht oder doch online hunderte Male geteilt werden, schien bisher eher der hauseigenen Policy sozialer Netzwerke als der Entscheidung von unabhängigen Richtern überlassen.


Für dieses Problem lassen sich einige Ursachen finden. Ganz wesentlich waren jedenfalls die Dauer und Kosten gerichtlicher Verfahren, um soziale Medien zum Löschen kompromittierender Postings zu zwingen. Kurz gefragt: Wer nimmt wegen eines beleidigenden Beitrags schon jahrelange Gerichtsverfahren gegen zumeist unbekannte Verfasser im Austausch gegen hohe Verfahrenskosten in Kauf?


Ein Beispiel aus der Praxis: Der Fall Glawischnig

Eva Glawischnig zum Beispiel. Die ehemalige Klubobfrau der Grünen war eine der wenigen, die wegen beleidigender Kommentare den Weg vor ein Gericht beschritten hat. Ihr Fall machte die oben beschriebenen Probleme im Kampf gegen Hasspostings besonders sichtbar. Schließlich brauchte es vier Jahre sowie Entscheidungen des Europäischen und des Obersten Gerichtshofs in Österreich, um Facebook zum Löschen jener Beiträge zu verpflichten, in denen Glawischnig unter anderem als Vertreterin einer „Faschistenpartei“ bezeichnet worden war.


Es versteht sich von selbst, dass nur wenige User über die Ressourcen und das offenbare Durchhaltevermögen von Eva Glawischnig verfügen. Davon abgesehen ist der Schaden, den ein bloßstellender Kommentar oder ein unerlaubt verschicktes Nacktfoto anrichten soll, nach mehreren Jahren wohl längst angerichtet.

Dem weit verbreiteten Hass im Netz endlich den Kampf anzusagen, war also bitter nötig. Dieser Kampf hat hierzulande am 1.1.2021 endgültig begonnen: Das neue Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz ist in Kraft getreten.


Schneller und besser: Das Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz

Dabei setzt das von Grünen, NEOS, SPÖ und ÖVP beschlossene Gesetzespaket tatsächlich am Kern des Problems an und ermöglicht zukünftig ein schnelles und einfaches Vorgehen gegen online verbreitete Hate Speech. Schnell und einfach, weil gegen solche Inhalte von nun an in einem sogenannten Mandatsverfahren geklagt werden kann. Dafür ist weder ein teurer Rechtsanwalt noch eine langwierige Verhandlung vor Gericht nötig. Viel mehr kann ganz einfach online (www.justizonline.gv.at) ein Formular heruntergeladen werden, dem entweder Screenshots oder Links als Beweismaterial anzuhängen sind. Bei Bedarf unterstützt dabei sogar der Verein ZARA, die staatlich geförderte Beratungsstelle gegen Hass im Netz.

Schon nach Durchsicht dieses Formulars kann die zuständige Bezirksrichterin einen Unterlassungsauftrag erteilen und sowohl das soziale Medium (nach vorangegangener Meldung des Postings) als auch die Verfasserin des Beitrags zu dessen unverzüglicher Löschung verpflichten. Vorerst bekommt dabei weder die Plattform noch die Autorin selbst Gelegenheit, das Posting zu rechtfertigen. Der Beklagten vor einer richterlichen Entscheidung gar keine Verteidigungsrechte einzuräumen ist zwar sehr unüblich, hier aber gerade die Besonderheit des neuen Schnellverfahrens. Die gesetzgebenden Parlamentsparteien haben an dieser Stelle der Möglichkeit rascher Abhilfe gegen schwerwiegende Beleidigungen den Vorrang eingeräumt. Erst nachträglich kann die zur Löschung verpflichtete Verfasserin dann Einwendungen gegen die richterliche Entscheidung erheben, um so die Wiederherstellung ihres Beitrags zu erreichen.


Wo die freie Meinung endet: Wo Hate Speech beginnt

Natürlich bietet das neue Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz aber keinen Freifahrtsschein, um gegen jede unliebsame Kritik oder Äußerung auf Social Media vorzugehen. Immerhin stellt auch das Recht auf freie Meinungsäußerung ein hohes Gut dar, das in Österreich sogar durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt ist. Das neue Schnellverfahren kommt daher erst dort ins Spiel, wo freie Meinungsäußerung in persönliche Angriffe und Erniedrigungen umschlägt: Rechtlich gesprochen soll solchen Beiträgen ein Riegel vorgeschoben werden, mit denen Personen auf eine „die Menschenwürde beeinträchtigende“ Weise in ihren „Persönlichkeitsrechten“ verletzt werden.

Ein Persönlichkeitsrecht ist etwa das sogenannte Recht auf Ehre. Wer in Kommentarspalten persönlich beleidigt oder bedroht wird, kann also jedenfalls vom Verfahren nach dem Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz Gebrauch machen. Dasselbe gilt für jede, die in einem Forum oder Chatverlauf abwertende Bilder oder Memes von sich entdeckt.

Erst der Anfang: Weitere Möglichkeiten im Kampf gegen Hass im Netz

Hass im Netz ist kein Kavaliersdelikt. Ein kollektiver Shitstorm, Aufrufe zur Gewalt oder wahllos verbreitete Fake Facts haben für die Betroffenen teils schwere soziale Konsequenzen. Mit dem Löschen des kompromittierenden Beitrags ist es daher noch nicht zwingend getan. Abhängig davon wie schwer eine Beleidigung wiegt, kann auch mit einer Schadenersatzklage oder sogar einem Strafverfahren gegen die Verfasserin vorgegangen werden. Wer eine andere online etwa zu Unrecht einer verwerflichen Eigenschaft oder Handlung beschuldigt, kann dafür im schlimmsten Fall wegen „Übler Nachrede“ sogar zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden. Selbst bei pauschalen Verunglimpfungen, die gar nicht auf konkrete Eigenschaften Bezug nehmen („Du Sau“), droht ein Strafprozess wegen Beleidigung.


Klar ist also: Auch dank des neu eingeführten Schnellverfahrens ist der virtuelle Raum mittlerweile kein rechtsfreier mehr. Wird das Verfahren nach dem Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz gut angenommen, kann es sich zum wertvollen Tool im Kampf gegen Hasspostings entwickeln; und hoffentlich soweit zur Sensibilisierung der User beitragen, dass gerichtliches Vorgehen überhaupt nur noch im Ausnahmefall nötig wird.


Kurz gesagt

  • Dank des neuen Verfahrens nach dem Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz kann die Löschung beleidigender Beiträge und Kommentare ganz einfach mittels Musterformular bei Gericht beantragt werden.

  • Gelöscht werden müssen Inhalte, durch die andere schwerwiegend in ihren Persönlichkeitsrechten – also etwa in ihrer Ehre, ihrem Ruf oder in ihren eigenen Bildern – verletzt werden.

  • Wer beleidigende Beiträge postet oder teilt, muss nicht nur damit rechnen, zur Löschung verpflichtet zu werden. Im schlimmsten Fall drohen sogar strafrechtliche Konsequenzen, z.B. eine Verurteilung wegen übler Nachrede oder Beleidigung.


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