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AutorenbildBenjamin Weber

50

Am heutigen Donnerstag feiert überzuckert.at ein Jubiläum und durchbricht eine besondere Schallmauer. Schließlich liest du hier gerade Artikel Nr. 50 auf unserer Plattform. Naheliegenderweise steht daher auch dieser Beitrag ganz im Zeichen der Zahl 50:


Der Artikel 50 des wichtigsten Gesetzes der Republik Österreich - des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG) - regelt völkerrechtliche Verträge, auch Staatsverträge genannt. Das sind Verträge zwischen zwei oder mehreren Staaten oder Staaten und etwa internationalen Organisationen oder NGOs. Gerade heute, im Lichte des Ukraine-Krieges, sind völkerrechtliche Verträge besonders wichtig.


Das folgende Beispiel verdeutlicht das: Nehmen wir an, Österreich möchte der NATO beitreten. Der Nordatlantikvertrag, die vertragliche Grundlage der NATO, ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Artikel 10 bestimmt Folgendes:


„Die Parteien können durch einstimmigen Beschluß jeden anderen europäischen Staat, der in der Lage ist, die Grundsätze dieses Vertrags zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets beizutragen, zum Beitritt einladen. Jeder so eingeladene Staat kann durch Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde bei der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika Mitglied dieses Vertrags werden. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika unterrichtet jede der Parteien von der Hinterlegung einer solchen Beitrittsurkunde.“


Nehmen wir auch an, Österreich wird tatsächlich aufgrund eines einstimmigen Beschlusses der Mitglieder der NATO eingeladen. Mit Hinterlegung einer Beitrittsurkunde wäre Österreich Mitglied. Wer kann diese Beitrittsurkunde hinterlegen?

Grundsätzlich ist die Bundespräsidentin zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen ermächtigt. Dazu gehört natürlich auch die Hinterlegung einer Beitrittsurkunde. Um dies zu tun, benötigt die Bundespräsidentin jedenfalls einen Vorschlag der Bundesregierung bzw. einer von der Bundesregierung ermächtigten Bundesministerin.


Aber was regelt Artikel 50 B-VG genau? Artikel 50 regelt unter anderem, dass sogenannte „politische“ Staatsverträge nicht nur von der Bundespräsidentin unterzeichnet, sondern zusätzlich auch vom Nationalrat genehmigt werden müssen. Es ist schwer zu definieren, was politische Verträge sind. Ein Bündnisvertrag, wie hier der Nordatlantikvertrag, ist es jedoch sicherlich. Auch gesetzesändernde oder gesetzesergänzende völkerrechtliche Verträge und die Abänderung der vertraglichen Grundlagen der EU benötigen die Zustimmung des Nationalrats. Und wieso? Weil nur der Nationalrat als durch die Wahl legitimierte Volksvertretung Gesetze erlassen kann. Könnte die Bundespräsidentin ohne weiteres einfach einen völkerrechtlichen Vertrag abschließen, der die Gesetze Österreichs ändert, wäre das ja nicht mehr der Fall.


Unterm Strich bedeutet das: Den Abschluss des Nordatlantikabkommens durch die Bundespräsidentin, die auf Vorschlag der Bundesregierung handelt, müsste der Nationalrat auf jeden Fall genehmigen. Und welche Mehrheit wird dafür benötigt? Eine einfache Mehrheit. Also müssen sich mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen für die Genehmigung des Vertrages aussprechen; dabei muss mehr als ein Drittel der Abgeordneten anwesend sein.


Wäre der NATO-Beitritt also so „einfach“? Nein, wie David von der Thannen schon vor Beginn des Konfliktes geschrieben hat, wäre ein NATO-Beitritt mit Österreichs Verständnis der Neutralität unvereinbar. Das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs (BVG Neutralität) bestimmt Folgendes:


„Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität.“


In Absatz 2 wird das Gesetz noch klarer:


„Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.“


Die NATO ist ein militärisches Bündnis. Daher wäre ein NATO-Beitritt nach derzeitiger Rechtslage jedenfalls verfassungswidrig – auch wenn der Nationalrat diesem zustimmt. Dieses Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs könnte jedoch auch abgeändert oder komplett abgeschafft werden. Dafür braucht es „nur“ eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat, bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten – eine solche ist aber zumindest nach heutigem Stand nicht zu erwarten. Aber wer weiß, vielleicht sieht es ja in 100 überzuckert-Beiträgen schon ganz anders aus?

Kurz gesagt:

  • In Österreich ist die Bundespräsidentin zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen ermächtigt. Sie schließt Verträge auf Vorschlag der Bundesregierung oder einer von ihr ermächtigten Bundesministerin ab.

  • Für bestimmte völkerrechtliche Verträge wird die Genehmigung des Nationalrats benötigt. Das sind politische, gesetzesändernde oder gesetzesergänzende völkerrechtliche Verträge und alle Verträge, durch die die Grundlagen der EU abgeändert werden.

  • Ein NATO-Beitritt wäre wegen des Bundesverfassungsgesetzes über die Neutralität Österreichs verfassungswidrig. Dieses Gesetz kann jedoch mit Zweidrittelmehrheit aufgehoben werden.

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