2 € für 1 Liter Benzin?! Freier Markt oder Kartellrechtsverstoß?
Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Versorgungsunsicherheit haben den Ölpreis in ganz Europa zuletzt in astronomische Höhen schnellen lassen. Besonders für Autofahrerinnen schlägt sich diese Entwicklung negativ im Börserl nieder: So erreichte der Benzinpreis in Österreich erst vor kurzem einen historischen Höchststand. Wer aktuell einen Liter Benzin tanken möchte, muss dafür fast 2 € lockermachen. Nicht einmal die Erholung und Stabilisierung des Ölpreises in den vergangenen Tagen hat diesbezüglich zu einer Entlastung für die heimischen Lenkerinnen geführt.
Diese horrenden Preise haben jetzt nicht nur heimische Politikerinnen, sondern auch die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) auf den Plan gerufen. Sie wird den österreichischen „Kraftstoffmarkt“ in den kommenden Wochen genau unter die Lupe nehmen und prüfen, ob die hohen Preise auf einen sogenannten Kartellverstoß in der heimischen Benzinindustrie zurückzuführen sind.
Aber was soll das bedeuten? Kann in einer „freien Marktwirtschaft“ denn nicht jede Tankstelle selbstständig und frei darüber entscheiden, zu welchen Preisen sie ihre Produkte anbietet?
Grundsätzlich ja! Schließlich ist in der Wirtschaftswelt weithin bekannt, dass der Preis für ein Produkt wesentlich durch dessen Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Kommt es zum Beispiel – aufgrund von Versorgungsengpässen – zu einem akuten Mangel an Benzin, dann folgt aus diesem geringen Angebot in der Regel ein hoher Benzinpreis: Die geringe Verfügbarkeit macht das Benzin zu einem raren und begehrten Gut. Umgekehrt fördert auch eine besonders hohe Nachfrage denselben Effekt zutage: Ist der Treibstoff – etwa zur Urlaubssaison – besonders begehrt, dann resultiert dieser erhöhte Wettbewerb um die verfügbare Menge in einem Preisanstieg.
Preisschwankungen sind in der Wirtschaft also ganz normal. Eine Unternehmerin kann den Preis für die von ihr angebotenen Waren und Dienstleistungen also selbst festsetzen. Diese unternehmerische Freiheit findet allerdings dort ihre Grenze, wo sie dem freien Wettbewerb selbst schadet: Das ist vor allem dann der Fall, wenn Unternehmerinnen ihre Preise nicht selbstständig festsetzen, sondern untereinander Preisabsprachen treffen, oder dann, wenn große Konzerne (sogenannte „Monopolisten“) ihre wirtschaftliche Machtposition ausnutzen.
Dazu zwei Beispiele:
Beispiel 1 - Preisabsprache
Die drei größten Tankstellenbetreiberinnen vereinbaren, Benzin künftig nur noch um 10 € pro Liter zu verkaufen. Pendlerinnen und anderen Autofahrerinnen, die auf Benzin angewiesen sind, bleibt nichts anderes übrig, als diese maßlos überteuerten Preise zu bezahlen. Die Tankstellenbetreiberinnen verdienen durch ihre Absprache hingegen gutes Geld.
Beispiel 2 – Monopolisten
Kartellrecht who? Ein kurzer Überblick
Um solche Geschäftspraktiken zu verhindern und die freie Marktwirtschaft sowie die Konsumenten zu schützen, gelten in der gesamten Europäischen Union wettbewerbsrechtliche Regelungen. Sie werden häufig als Kartellrecht bezeichnet.
Wenn ein Unternehmen das Kartellrecht missachtet, drohen drastische Strafen. So hat die Europäische Kommission Google im Jahr 2018 etwa zu einer Strafzahlung von 4,3 Milliarden € verpflichtet, weil der Konzern seine marktbeherrschende Stellung als Suchmaschine unfair ausgenutzt hatte. (Link zu weiteren Infos)
In Österreich werden die kartellrechtlichen Regelungen vor allem von der Bundeswettbewerbsbehörde durchgesetzt. Sie untersucht einzelne Unternehmen oder ganze Wirtschaftsbranchen um festzustellen, ob diese gegen das Kartellrecht verstoßen. Dabei ist sie auch nicht an politische Zurufe oder Weisungen gebunden, sondert handelt selbstständig. Kann ein Verstoß nachgewiesen werden, verhängt das Kartellgericht auf Antrag der BWB im schlimmsten Fall eine Geldstrafe.
What to expect – Wie es nun am Treibstoffmarkt weitergeht
Womit wir wiederum beim Ausgangsfall angekommen sind: In den kommenden Wochen wird die BWB also der Frage nachgehen, worauf der dramatisch hohe Benzinpreis zurückzuführen ist. Dabei muss die Behörde klären, ob der Preisanstieg ausschließlich auf externe Faktoren wie den Krieg in der Ukraine zurückzuführen ist, oder ob die großen Treibstoffkonzerne den Preis stattdessen durch unerlaubtes Zusammenwirken absichtlich hochhalten.
Klar ist dabei: Unternehmen wirken nicht erst dann unerlaubt zusammen, wenn sie den Benzinpreis nach einer ausdrücklichen, gemeinsamen Absprache festsetzen. Schon jede Abstimmung des zukünftigen Verhaltens, zum Beispiel der Austausch relevanter Informationen über die eigene wirtschaftliche Strategie, verstößt gegen das österreichische Kartellrecht.
Vizekanzler Werner Kogler hat sich jedenfalls bereits eine eindeutige Meinung gebildet: Er hat der Bundeswettbewerbsbehörde eine Sachverhaltsdarstellung zukommen lassen, aus der sich Hinweise für einen Kartellverstoß ergeben sollen. Demgegenüber ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei der letzten Untersuchung des Treibstoffmarktes im Jahr 2011 keine wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen festgestellt werden konnten. Die anstehenden Ermittlungen der Bundeswettbewerbsbehörde versprechen also eine gehörige Portion Spannung!
Kurz gesagt
Kartellrechtliche Vorschriften schützen den freien und fairen Wettbewerb: Sie verbieten einerseits, dass Unternehmerinnen ihr Handeln aufeinander abstimmen und koordinieren. Andererseits verhindern sie, dass besonders große Unternehmen ihre Machtposition gegenüber anderen ausnutzen.
Der aktuelle Anstieg der Benzinpreise hat die Frage aufgeworfen, ob Unternehmerinnen in der Treibstoffindustrie die kartellrechtlichen Regelungen missachten. Eine Vereinbarung zwischen Tankstellenbetreiberinnen über die Höhe der Benzinpreise wäre etwa auf jeden Fall rechtswidrig.
In Österreich prüft die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) die Einhaltung des Kartellrechts. Wenn sie von einem schweren Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht ausgeht, stellt sie beim Kartellgericht einen Antrag auf Verhängung eines Bußgelds gegen die betreffenden Unternehmen.
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